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(2001)

focused #1 focused #2 focused #3 focused #4 focused #5 focused #6 focused #7 focused #8 focused #10 focused #9 Ausstellungsprojekt von Werner Gasser und Elisabeth Hölzl
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Die Ausnahme ist die Regel_ Es ist kein Kunststück, in den Zirkus zu gehen, um die Artisten am Werk zu sehen. Diese leisten (sich) Außergewöhnliches: ein erstes Mal, schon als Kind, dann irgendwann mal wieder und vielleicht in zwei Jahren noch einmal. Das Außergewöhnliche ist eine alltägliche Ausnahmeerscheinung. Für die Artisten aber, die jeden Tag ans Werk und an ihre Grenzen gehen, ist die Ausnahme die Regel - mit anderen Worten: Alltag. Die Paradoxie besteht darin, das Grenzgängertum auch wie Alltag erscheinen zu lassen. Anstelle die Zähne zusammen zu beißen oder die Anspannung zu zeigen, wird gelächelt und getan als wäre alles ganz normal. Wenn es eine Ästhetik der Artisten gibt, dann liegt sie genau darin, diese Grenze zu maskieren und das Außergewöhnliche als Normalität zu präsentieren. Die zweite Paradoxie besteht darin, dass die Verwandtschaft zwischen den Artisten und zeitgenössischen Künstlern nicht im Spektakulären zu finden ist, sondern invers in dem Versuch, ein Plädoyer für die Normalität des Außergewöhnlichen zu liefern. Die Ausnahme ist die Regel, deren Alltag das Thema. Was den Zirkus und den Alltag im Zirkus vom Alltag des Besuchers unterscheidet, ist sein ambulantes und temporäres Verhältnis zum sozialen Raum. Der Zirkus bildet in diesem Sinne ein diasporisches Milieu. Über das Jahr hinweg ist er immer woanders, absent, und wenn er erscheint, dann als Randerscheinung, gern gesehen und doch fremd. Für den Zirkus bedeutet der Ort seines Erscheinens immer nur eine Variable im Raum. Sein Zentrum ist beweglicher Natur, immer da, wo er gerade ist. Ambulant. Diese mentale Geografie ist es, die die Artisten wieder in die Nähe zeitgenössischer Künstler rückt: Nicht Werke zu hinterlassen, sondern Spuren einer Idee. Und die Spuren einer Idee bedeuten nicht weniger als eine Art von Wiedererkennen, den Eindruck, das Einmalige schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Das ist die dritte Paradoxie: Sich an etwas erinnern zu können , was man nie zuvor gesehen hat, ein deja vu als kulturelle Matrix für die ursprüngliche Bekanntheit des Fremden. Das Befremden ist demnach nur das Produkt eines Vergessens, dass das Außergewöhnliche als Fremdes immer schon bekannt ist. Nur die Ausnahme lässt erkennen, was die Regel ist. Es ist kein Kunststück in die Stadt zu gehen, um den Zirkus auch da zu sehen, wo er niemals war oder nicht mehr ist, sind doch nun die Künstler am Werk.
Andreas Spiegl


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